Der Tag vor dem Corona-Shutdown im Rhein-Hunsrück

Wir schreiben Dienstag, den 15. Dezember, der Tag vor dem zweiten bundesweiten Shutdown in der Corona-Pandemie: Für mindestens vier lange Wochen schließen die (meisten) Geschäfte, gelten Kontaktverbote (über fünf Personen), schließen die Präsenz-Schulen usw. Gute, beste Freunde igeln sich ein, schlagen ein Treffen aus. Weihnachten steht vor der Tür. Es ist nicht die Zeit, vernünftig über Corona zu sprechen. Und niemand soll hier von einem bestimmten Standpunkt eingenommen werden. 

Wir wollen hier festhalten, vor dem Vergessen und Verdrängen bewahren, welche Situation hier im Rhein-Hunsrück, dem Landkreis mit seinen 104.188 Einwohnern, herrschte, bevor diese neuerliche Agonie mit der 14. Corona-Bekämpfungsverordnung über uns hereinbrach. Wir nehmen die Zahlen des Kreis-Gesundheitsamtes zu Hilfe, die ein wenig Objektivität erlauben, aber natürlich nicht unsere Gefühle messen können.

Am 15. Dezember galten bei uns 253 Menschen als mit SARS-CoV-2 infiziert, was bedeutet, dass der PCR-Test bei ihnen positiv auf Viren oder Viren-Reste reagiert hat. Seit der Woche vom 10. November ist diese Zahl nicht weiter angestiegen, zeitweise auf 188 abgesunken. Die allermeisten von ihnen sind nicht krank, sind symptomfrei. Wirkliche Krankenzahlen kennen wir nicht. Wir wissen, dass sicherheitshalber 680 Menschen, die mit den „Positiven“ Kontakt hatten, in Quarantäne verbannt, aus ihrem Alltagsleben gerissen sind. Aus einer amtlichen Statistik (Zentralregister.de) erfahren wir, dass am 15. Dezember zwei von 15 vorhandenen Intensivbetten mit Covid-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung belegt sind, 13 Prozent der Betten; ein Drittel steht leer. Zwei „Intensive“ auf 253 „Positive“, das sind 0,79 Prozent.

Mit Winterbeginn sterben wieder vereinzelt Menschen. Sie waren ausnahmslos über 80 bis über 90 Jahre alt, alle schwerst vorerkrankt. Seit März zählen wir im Rhein-Hunsrück 14 an/mit SARS-CoV-2 Verstorbene, etwa einen pro Monat. 

Jedes Einzelschicksal zählt. Doch wie setzen wir diese Zahlen ins rechte Verhältnis? Wenn 253 von 104.188 Menschen, also 0,24 Prozent als „infiziert“ gelten, so bedeutet dies, dass 99,76 Prozent der Bevölkerung am 15. Dezember nicht infektiös ist. Wenn seit März insgesamt 14 Menschen verstarben, also 0,013 Prozent der Bevölkerung, dann bedeutet dies, dass 99,987 Prozent der Rhein-Hunsrücker bis zum 15. Dezember die Pandemie überlebt haben. 

Diese Zahlenangaben sind Fakt. Jedermann kann sie überprüfen und fortschreiben. Jeder mag sich sein eigenes Urteil bilden, ob die verordneten Maßnahmen immer noch nicht hart genug – oder maßlos überzogen sind. Jeder mag auch an die anderen denken, die KiTa-Kinder, Schüler, erwerbstätigen Mütter, Alten- und Pflegeheim-Bewohner, Kurzarbeiter, Pandemie-Arbeitslose, gescheiterte Kleinunternehmer usw.

Heute denken wir an einen grünen Oberbürgermeister, der es in Tübingen ohne Shutdown geschafft hat, die Corona-Sterberate in Altenheimen auf Null zu bringen. 

Morgen denken wir an jene, die mit unserer Angst spielen.