Kreistag gegen Familienbeauftragte

Die AfD-Fraktion beantragte auf der Kreistags-Sitzung vom 21. September 2020 die Schaffung eines Amtes der Familienbeauftragten – analog der Integrationsbeauftragten mit monatlich 500 EUR. Folgend geben wir die Rede des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Dr. Harald Bechberger, im Kulturhaus Rheinböllen wieder.

Sehr geehrter Herr Landrat, werte Beigeordnete, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Was ist unser Anliegen, eine Familienbeauftragte zu berufen? Im ersten Lebensjahr entscheidet sich, ob da ein guter oder ein schlechter Mensch heranwächst, ob sich die jedem Menschen mitgegebenen Möglichkeiten entwickeln, später etwas zurückgeben zu wollen, oder ob sich die ersten Wurzeln des Narzissmus eingraben. Aus der Bindungsforschung wissen wir, wie grundlegend wichtig die ersten drei Lebensjahre sind, insbesondere das erste Lebensjahr, um eine stabile und emphatische Kinderpersönlichkeit zu entwickeln. In dieser Zeit ist die Familie, vor allem die Mutter, unersetzlich.

Und obwohl wir das alles wissen, belegt unsere aktuelle KiTa-Statistik für den Rhein-Hunsrück-Kreis, daß etwa 30 Prozent der einwohnerrechtlich gemeldeten Einjährigen einen KiTa-Platz nachfragen, und die tatsächliche Nachfrage steigt Jahr für Jahr. Das heißt:

Jedes 3. Kind muß schon im ersten Lebensjahr die Trennung von der Mutter erleiden

– und wer ein bißchen Einfühlungsvermögen oder Sachkenntnis hat, weiß, welch existentielles Erleiden das für die Kleinen ist! Wir hatten gestern Weltkindertag – ich habe vor allem an jene 36.000 Unter-Dreijährigen in Rheinland-Pfalz gedacht, die schon so früh in eine Tagesbetreuung außer Haus gegeben werden – eine Steigerung innerhalb der letzten 10 Jahre um sage und schreibe 85 Prozent.

Es gibt gute Gründe für Eltern, ihr Kind schon so früh abzugeben – ich bewerte das nicht. Uns muß aber bewußt sein: Dies ist der Preis dafür, daß wir eine der stärksten Wirtschaftsnationen der Welt sind, Exportweltmeister. Da müssen beide Eltern ran, Millionen von Überstunden werden geleistet, und die Fachkräfte werden dennoch knapp. Wollen wir im nächsten Schritt die Kinderarbeit wieder einführen?

Wir haben uns im Kreistag gerade für eine maximale Erhöhung des sog. Sozialraumbudgets von 560.000 auf 670.000 Euro zur Stärkung der Kitas ausgesprochen – mit gutem Grund: Wenn wir schon die jungen Mütter in die Erwerbsarbeit und damit weg von ihren kleinen Kindern locken, dann darf sich der Staat bei der institutionellen Kinderbetreuung nicht auch noch einen „schlanken Fuß“ machen, sondern hat in dieser geschaffenen Notlage das Bestmögliche zu leisten.

Der Corona-Lockdown

– zu deutsch: die Ausgangssperre für uns alle, hat uns völlig ausgebremst. Als KiTas, Schulen und Betriebe schließen mußten, war nur auf unsere Familien Verlaß, die mit Homeoffice und Homeschooling das Rad am Laufen hielten. Sie haben uns daran erinnert, wie unverzichtbar ein zusammenhaltender Familienverbund ist: Familien, nicht Banken sind wirklich systemrelevant!

Corona hat aber auch gezeigt, daß unsere Familien am Anschlag arbeiten, daß sie zu sehr Teil des Wirtschaftsprozesses geworden sind und wesentliche Familieneigenschaften eingebüßt haben. Und nach einer aktuellen Untersuchung der FernUniversität Hagen* waren es in der Krise wieder vermehrt die Frauen, die sich um die Kinderbetreuung gekümmert – und dafür die eigene Arbeitszeit reduziert haben!

*) Quellenhinweis: FernUniversität Hagen, Carolin Annemüller, 27.5.2020 – Studie zu Professionalität und Bildungsgerechtigkeit in der Corona-Krise

Homeschooling ist also das „Konzept“, das Frauen in die tradierten Rollenverteilungen zurückwirft und Bildungsungerechtigkeit schafft! Homeschooling ist eine bildungspolitische Bankrotterklärung! Die psychosozialen und wirtschaftlichen Folgen von Corona bzw. des Lockdowns sind noch gar nicht absehbar. Deshalb: Corona muß uns eine Lehre wert sein. Es liegt doch auf der Hand:

Wir müssen unseren angeschlagenen Familien wieder mehr Schutzraum zugestehen. Der Staat muß die Familien stärken. Manche von Ihnen werden sich fragen: Haben wir denn nicht schon genug Personen und Institutionen, Verbände und Initiativen, die sich um die Belange von Familien kümmern? Recht haben Sie! Es sind viel zu viele. Erst kürzlich lasen wir in der Rhein-Hunsrück-Zeitung: Lediglich 35 Prozent der staatlichen Leistungen wird von Familien in Anspruch genommen. Zwei Drittel verzichten darauf!! Und dennoch macht die Caritas ein neues Büro im Rhein-Hunsrück auf. Was lehrt uns das?

Unser politisches und gesellschaftliches System arbeitet an den Familien vorbei!

Wir haben unsere Empathie für Familien verloren – und deswegen braucht es eine neue Achtsamkeit, eine Familienbeauftragte als unsere wachsame Mahnerin für ein Umdenken in allen Gesellschaftsbereichen! Wir müssen umschalten: vom Reparaturbetrieb in einen Präventivbetrieb, den wesentlich und grundlegend die Familien leisten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, daß Sie unserem Antrag zustimmen können. Dafür sollten uns 6.000 Euro im Jahr nicht zu viel sein. Vielen Dank.

Beschluss

Der Landrat empfahl den Antrag der AfD abzulehnen, da es schon genug Unterstützung für Familien gäbe. Der Antrag wurde ohne weitere Debatte von allen Parteien gegen 3 Ja-Stimmen der AfD abgelehnt.