Beitrag „Wurzeln und Flügel der AfD – Das Vermächtnis von 1848 und die bürgerliche Revolution von 2013“

Frei nach Goethe benötigt jeder Mensch und damit jede aus Menschen bestehende Gruppierung „Wurzeln und Flügel“.

Die Wurzeln stehen für die grundlegenden Werte und Prinzipien, die Festigkeit und Sicherheit geben.

Die Flügel stehen für die daraus abgeleiteten Ziele und Zukunftsvisionen, die zu tatkräftigem Handeln inspirieren und motivieren und ihm Sinn geben.

Wo gründen die Wurzeln der Alternative für Deutschland (AfD), wohin breitet sie ihre Schwingen aus?

Ausgehend vom Hambacher Fest, das 1832 auf dem Boden des heutigen Rheinland-Pfalz gefeiert wurde, erhob sich das deutsche Bürgertum in der bürgerlichen Revolution von 1848 für einen einheitlichen demokratischen Nationalstaat gegen die Kleinstaaterei und den Absolutismus der deutschen Duodezfürsten.

Demokratie und Nationalbewusstsein gingen dabei nicht nur selbstverständlich Hand in Hand, sondern bedingten sich gegenseitig: erst der revolutionäre Gedanke, die Nation nicht mehr über ein Herrscherhaus, sondern über das Volk zu definieren, ermöglichte im nächsten Schritt die Forderung nach Volksherrschaft, d.h. Demokratie. Im Umkehrschluss waren sich die 48er bewusst, dass die individuelle Freiheit des einzelnen Bürgers nur im Schutz einer starken, demokratischen und rechtsstaatlichen Nation gedeihen kann. Der Bezugsrahmen des freiheitlichen Gedankens war also damals wie heute der Nationalstaat. Im Freiheitsbegriff der 48er Revolution war entsprechend immer die Verantwortung für das eigene Handeln und das Wohlergehen der Gemeinschaft mit enthalten. Hier zeigt sich das heute noch gültige Koordinatensystem der bürgerlichen Demokratie von Freiheit und Demokratie auf der einen und Verantwortung und Nation auf der anderen Achse.

Dies wurde ergänzt durch den Bildungsgedanken der Aufklärung: nicht mehr die Herkunft, sondern allein Fähigkeiten und Verdienste sollten über das Schicksal eines Menschen entscheiden. Jeder einzelne sollte sich durch die Bildung verbessern und veredeln und dadurch auch zum Fortschritt der gesamten Menschheit beitragen.

Das Menschenbild der 48er war entsprechend der eigenverantwortliche, weltoffene und bildungsbewusste Bürger, der sich mit seinem Gemeinwesen identifiziert und auch über den eigenen direkten Nutzen hinaus dafür einsetzt.

Heute sind diese zeitlosen Prinzipien der freiheitlichen Demokratie erneut in ihrer Existenz bedroht:

Eine demokratisch nicht legitimierte überstaatliche Organisation greift in die Souveränitätsrechte des deutschen Volkes ein. Die gewählten Vertreter des deutschen Volkes, die einen Eid geschworen haben, Schaden vom deutschen Volk abzuwehren und seinen Nutzen zu mehren, treten ohne Befragung des Souveräns deutsche Hoheitsrechte an die Europäische Union ab und übernehmen Bürgschaften für Kredite in hundertfacher Milliardenhöhe, deren Rückzahlung mehr als unwahrscheinlich ist. Eine kopflose ideologische Energiepolitik ohne jeglichen technischen und wirtschaftlichen Sachverstand gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland und belastet die Privathaushalte finanziell. Eine ungesteuerte Einwanderung belastet die Staatsfinanzen und gefährdet den sozialen Frieden. Die Rentenpolitik ist auf Dauer nicht finanzierbar und belastet Familien in besonderem Maße. Ein allgegenwärtiger Umverteilungsstaat belastet vor allem den bürgerlichen Mittelstand und schafft Anreize für den ständigen Bezug staatlicher Transferleistungen. Im Gegenzug versagt dieser fette, aber schwache Staat immer mehr in seiner Kernaufgabe, die Sicherheit seiner Bürger zu garantieren und sie vor Verbrechen zu schützen. Von der Realwirtschaft losgelöste Teilbereiche des Finanzsektors maximieren den eigenen Nutzen, privatisieren die Gewinne und sozialisieren die Verluste im Rahmen eines perversen Bankensozialismus. Die Meinungsfreiheit wird durch die Tabuisierung wichtiger Themenfelder durch die Altparteien und etablierten Medien im Zeichen der „politischen Korrektheit“ eingeschränkt. Die Sozialingenieure des „Gender Mainstreaming“ möchten uns weismachen, dass wir uns den Unterschied zwischen Mann und Frau nur einbilden.

Gegen diese bedrohlichen Verfallserscheinungen ist das deutsche Bürgertum im Jahr 2013 in Gestalt der AfD erneut in einer bürgerlichen Revolution aufgestanden.

Die AfD tritt ein für den Erhalt der Nation, die Stärkung der Volkssouveränität durch die Förderung der direkten Demokratie auf allen Ebenen, die Wiederherstellung von echter Meinungsfreiheit, die Verbindlichkeit von Recht und Gesetz, den Bildungsgedanken der Aufklärung und die Bewahrung und Entwicklung unserer sozialen Marktwirtschaft.

In der AfD versammeln sich Professoren und Studenten, Lehrer und Schüler, Unternehmer und Angestellte, Freiberufler und Beamte, Akademiker und Arbeiter. Damit ist die AfD eine breite bürgerliche Bewegung mit Rückhalt in unterschiedlichen Lebenswelten. Energie, Enthusiasmus und Idealismus sind groß, zudem haben sich mittlerweile professionelle Strukturen gebildet.

Der große Erfolg bei den Europa- und Kommunalwahlen hat in den triumphalen Wahlergebnissen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg noch einmal eine Steigerung erfahren. Mit dem Einzug in die Hamburger Bürgerschaft bei schwierigen Rahmenbedingungen konnte dieser Erfolg auch in die alten Bundesländer übertragen werden.

Damit hat sich die AfD im politischen Spektrum Deutschlands fest etabliert.

Nun muss die AfD unterschiedliche innerparteiliche Interessen zusammenführen und ihr Programm ausarbeiten.

Wie wir gesehen haben, setzen sich die Wurzeln der AfD in ihren Flügeln fort.

Es ist nur menschlich, dass hier verschiedene Charaktere in unterschiedlichen Situationen auch verschiedene Schwerpunkte setzen und sich auf dem Koordinatensystem der bürgerlichen Demokratie von Freiheit und Demokratie auf der einen und Verantwortung und Nation auf der anderen Achse unterschiedlich verorten. Während manche vor allem die freiheitliche Komponente betonen, legen die anderen auch Wert auf die Stärkung der Nation, die in den letzten Jahren in vieler Hinsicht in den Hintergrund getreten ist. Auf diese Weise haben sich Flügel im Sinne von unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen innerhalb der AfD gebildet.

Es sollte niemanden verwundern, dass der Flügelschlag gelegentlich noch etwas unruhig ist: die AfD ist ein junger Adler, der in kürzester Zeit erwachsen werden musste.

Wenn die Flügel aber im Einklang schlagen, wird dies die gesamte Partei beflügeln.

Dafür müssen die beiden Flügel erkennen, dass sie nicht der Körper sind.

Den Körper bildet die große Menge der inhaltlichen Konsenspunkte – wer wie der Autor das Vergnügen und die Ehre gehabt hat, an der Programmentwicklung der AfD aktiv mitzuwirken, wird bestätigen können, dass die inhaltlichen Übereinstimmungen ein gewaltiges Übergewicht über die Dissenspunkte haben.

Außerdem benötigt der Körper zwei Flügel, um zu fliegen.

Der Rückblick auf die bürgerliche Revolution von 1848 zeigt uns, dass Demokratie und Volkssouveränität zusammen gehören.

Wenn die AfD das Vermächtnis von 1848 in diesem Sinne annimmt und beide Flügel ausbreitet, kann niemand sie aufhalten.

Die AfD in Rheinland-Pfalz, auf dessen Boden die bürgerliche Revolution von 1848 mit dem Hambacher Fest ihren Anfang nahm, könnte dabei auf Grund dieser besonderen Nähe zur 48er Tradition, die ihre geistig-seelische Entsprechung im freiheitsliebenden, toleranten und ausgleichenden Charakter von Rheinländern wie Pfälzern findet, eine führende Rolle spielen.

Packen wir es an!

Dr. Jan Bollinger