In der großen Zeit der Parteiendemokratie, an die sich die Älteren unter uns noch erinnern, war es für eine politische Partei völlig normal, mehrere „Flügel“ zu haben. In der CDU fanden wertkonservative Bürger, markttreue Unternehmer, aber auch eher „linke“ Arbeitnehmervertreter wie der „Herz-Jesu-Marxist“ (Eigenzuschreibung) Norbert Blüm ihre politische Heimat. Die SPD hatte Oskar Lafontaine, Ottmar Schreiner und den „rechten“ Seeheimer Kreis. In der FDP vertraten Grundrechtsliberale wie Gerhart Baum und Burkhard Hirsch Positionen, die mit den Ansichten des Wirtschaftsliberalen Otto Graf Lambsdorff kaum mehr gemeinsam hatten als die Ablehnung eines übermächtigen, interventionistischen Staates. Auch wenn es nicht leicht für die jeweiligen Kanzler war, die unterschiedlichen Strömungen zu bedienen und zu integrieren – erinnert sei an Helmut Schmidt und die innerparteiliche Debatte um den NATO-Doppelbeschluss – erst diese Breite von Themen und Personal machte die beiden großen Parteien zu Volksparteien. Die SPD ist nach dem Wegbrechen ihres linken Flügels ein Schatten ihres einstigen Selbst. Die CDU wird nur noch von der Person der großen Vorsitzenden, die allein die maßgebliche Parteilinie vorgibt, zusammengehalten. Die FDP versank gar für lange Zeit in der Bedeutungslosigkeit, nachdem sie ihre freiheitlichen Grundsätze auf dem Altar des Lobbyismus geopfert hatte. Hier wie dort von Vielfalt keine Spur! Stattdessen eine bis vor wenigen Jahren noch unvorstellbare Einengung des Korridors erlaubter Meinungen. Seit Jahren wird Politik als alternativlos ausgegeben, wo sich politisches Handeln doch gerade durch die Suche nach Alternativen und den Streit der Meinungen und Konzepte auszeichnet. Wo das Weltgeschehen auch nur scheinbar so alternativlos und schicksalsergeben hingenommen wird wie das Wetter von morgen, hat sich jede Politik für überflüssig erklärt. In dem Spitzenteam der AfD, Alice Weidel und Alexander Gauland, verkörpern und ergänzen sich wirtschaftlicher Sachverstand und die Sorge um den Erhalt der Identität unseres Landes. Gewiss, das Ringen um Positionen in der Partei wirkt nach außen nicht immer glücklich. Positiv gewendet ist dieses „Gähren“ (Gauland) ein Zeichen, dass die Partei lebt. Jörg Meuthen, einer der beiden Parteivorsitzenden, hat – anders als sein Vorgänger im Amt Bernd Lucke – verstanden, dass die AfD nur dann eine wichtige Rolle für die Zukunft unseres Landes übernehmen kann, wenn es gelingt, beide Flügel personell und programmatisch zu integrieren.